Die WEINELF war dabei
Manche stutzen beim Wort Kultur im Gedenken an Krawalle in Stadien und sonstige unharmonische Begleitmusik auf und neben dem grünen Rasen. Aber schon seit 2006 verleiht die Deutsche Akademie für Fußball-Kultur die deutschen Fußball-Kulturpreise in fünf Kategorien. Die Stadt Nürnberg ist ein Träger dieser Akademie, ebenso das bereits 1920 ins Leben gerufene Kicker-Sportmagazin (Sitz Nürnberg). Hauptsponsor ist die easyCredit/TeamBank. Zusammen will man eine Anlaufstelle für diejenigen sein, die Fußball als gesellschaftliches und kulturelles Phänomen wahrnehmen. Man will die unterschiedlichen Facetten und Auswirkungen dieser Sportart deutlich machen und auch darauf verweisen, dass Fußball soziale Projekte voranbringen kann.
So gesehen passt die WEINELF Deutschland bestens dazu. Und seit 2011 ist die Nationalmannschaft der Winzer eingebunden in die Verleihung der Kulturpreise durch einen eifrig besuchten Weinausschank bei der After-Show-Party, die wie die Preisverleihung in der Nürnberger Tafelhalle stattfindet. Im Programm ist die WEINELF aufgeführt. Gastgeber Dr. Ulrich Maly, der Oberbürgermeister von Nürnberg begrüßte „das Team der WEINELF Deutschland und die Deutsche Weinprinzessin Laura Lahm“ (bei der aber niemand vermutete, dass sie die Schwester des zurückgetretenen Nationalspielers ist). Begonnen hatte alles damit, dass Präsident Robert Lönarz 2010 einfach mal zur Veranstaltung nach Nürnberg reiste, dort mit dem Weinelf-Sakko auffiel, mit Verantwortlichen ins Gespräch kam und dabei die Idee geboren wurde, dass das Kulturgut Wein gut zum Kulturpreis Fußball passt.
Ein Team von der Mosel und aus Rheinhessen stellte sich in den Dienst der guten Sache; einige Winzer spendierten dazu, wie Mumm-Sekt, auch noch einige Flaschen, so dass man am Abend drei Stunden lang der Nachfrage gerecht werden konnte. Vermisst wurde im Fränkischen zwangsläufig Frankenwein, was nur damit beantwortet werden konnte, dass noch kein Frankenwinzer Mitglied der WEINELF ist. Umgekehrt ließ sich zumindest feststellen, dass OB Maly nicht nur in jungen Jahren als Weinhändler tätig war („allerdings mit Weinen aus Italien“), sondern auch Ahnung von Wein hat. Er verkostete einen Riesling von Philipp Wittmann und meinte: „Von dem habe ich auch Wein in meinem Keller.“
Vor der Arbeit war für das WEINELF-Team Vergnügen angesagt. Man erlebte ein munteres, von Katrin Müller-Hohenstein (ZDF) moderiertes Programm mit einigen Höhepunkten und auch Schreckmomenten, als alte „Hits“ von Fußballern wie Norbert Nigbur, Lothar Matthäus (Muss i denn zum Städele hinaus“) und Franz Beckenbauer („Du allein“) abgespielt wurden. Und man konnte sich mit den Preisträgern in fünf Disziplinen freuen. Als da waren
• das Fußballbuch des Jahres (eine bemerkenswerte Biografie von Bernd-M. Beyer über Helmut Schön, den mit Abstand erfolgreichsten deutschen Bundestrainer), • die Fußballerinnerung des Jahres (für eine mühselige Arbeit eines Schweizers über das Kreuzlinger Grenzland-Stadion am Bodensee, das schon lang nicht mehr existiert), • der Fußballspruch des Jahres (eine recht ironische Anspielung von Schalker Fans auf die oft enttäuschenden Leistungen der 04-Kicker in der letzten Saison mit dem Transparent „Wir danken der Mannschaft, dass sie uns auch in dieser Saison so zahlreich hinterhergereist ist“), • der Fußball-Bildungspreis „Lernanstoss“ für eine vom inzwischen in die Viertklassigkeit abgerutschten Club Rot-Weiß Essen angestoßenen Projekt „Essener Chancen“, bei dem unter dem Motto „Schule ist auf’m Platz“ gut zwei Dutzend Essener Kinder im vierten Schuljahr mit einem Betreuungsangebot inklusive Sport zum Lernen motiviert werden. • Höhepunkt war schließlich der Walther Bensemann-Preis, gewidmet dem einstigen Gründer des „Kicker“ und einem der Pioniere des Fußballs in Deutschland (dem in der Nazizeit wegen seiner jüdischen Herkunft übel mitgespielt wurde; er verstarb 1934 im Schweizer Exil). Bisherigen Preisträgern wie Franz Beckenbauer, Günter Netzer, Uwe Seeler, Ottmar Hitzfeld und Alex Ferguson folgte jetzt der Spanier Vicente del Bosque, der mit Real Madrid als Spieler (mit Günter Netzer, Paul Breitner, Uli Stielike) und Trainer viele Erfolge feiern konnte und 2010 mit Spanien als Nationalmannschaftstrainer Weltmeister wurde. Sein ehemaliger Mannschaftskamerad Günter Netzer wurde mit den Worten zitiert „Er ist bescheiden, zurückhaltend und eine Seele von Mensch“. Damit hatte er den sozial engagierten, vom spanischen König geadelten Marqués trefflich charakterisiert. Del Bosque verkündete, dass sein Preisgeld zwei wohltätigen Einrichtungen zu Gute kommt. Wie sehr er ein Herz für Benachteiligte hat, zeigte eine kleine Beobachtung auf. Als er auf die Bühne zuschritt, klopfte er einem jungen Behinderten im Rollstuhl aufmunternd auf die Schulter. Diese Berührung wird der junge Mann so schnell nicht vergessen... (Rudolf Knoll)